H I N T E R G R Ü N D E

Am Anfang war das wort:los
von Peter Wolf

Seit meinem ersten sprachbezogenen Programm „Wort:los”von 2008 untersuche ich mit meinen Musikern in einer Reihe von Experimenten die Wechselbeziehung von Sprache und Musik. Welche Impulse gehen von Musik, welche von Sprache aus? In wie weit rufen z.B. musikalisch erzeugte Stimmungen besondere Inhalte auf den Plan? In wie weit können bestimmte verbale Ausdrucksformen musikalische Stimmungen hervorrufen? Eine wichtige Erkenntnis lautet: Im Rahmen von improvisatorischen Prozessen hat die wissenschaftliche Analyse ihre Grenzen. Bei der Improvisation ist es die Intuition, die sich aus dem Unterbewußtsein speist und den Ton angibt. Allein das unwiederholbare Ereignis und seine Wirkung auf die Anwesenden lässt Rückschlüsse über die Qualität zu. Die beteiligten Parameter sind so schwer zu fassen wie die menschliche Psyche. Im Nachhinein lassen sich zwar Einzelereignisse herausfiltern, an denen deutlich wird, wo und wie Musik Geschichten hervorruft und andersherum Worte und Geschichten den musikalischen Ausdruck zu steuern in der Lage sind. Auf die Spur kommt man dem Phänomen auch, wenn man beidem, der Sprache wie der Musik, die Fähigkeit zum Geschichten erzählen zuspricht. Letztendlich ist es die Chemie der Akteure und deren künstlerisches Potential, die das Wunder einer fesselnden Live-Performance möglich machen.
In diesem Zusammenhang möchte ich den Begriff des "Hörfilms" ins Spiel bringen. Denn letztendlich löst die Fusion von Sprach- und musikalischer Improvisation ganz individuelle Filme in den Köpfen der Zuhörer aus. Was also bei einer solchen Improvisations-Performance u.a. entsteht, ist eine Projektionsfläche für die Fantasie des Betrachters. Um aus dieser Erkenntnis heraus die Rolle des Publikums deutlicher ins Bewußtsein zu rücken und gleichzeitig für die Akteure die Rahmenbedingungen zu verschärfen, entwickelte ich daraufhin das Konzept zu

Faden.Tief.Rot. (2009/10)
Hier hatte neben dem Ensemble auch das Publikum die Fäden in der Hand. Beim Eintritt wurde jeder Besucher ein Wort los. Diese Zettel landeten in der Jackentasche des Poeten. Sie bildeten, nach und nach zufällig herausgegriffen, neben dem Titel des Programms den roten Faden, der ihn, die Musiker und das Publikum durch den Abend führte.
Es zeigte sich, dass diese Vorgehensweise zwar jede Menge Überraschungen und Wendungen im Fluss der Erzählung und der Musik zu bieten hatte, allerdings wurde dadurch die Möglichkeit, die in der Improvisation auftauchenden Bilder zu vertiefen, deutlich eingeschränkt.

TAT(w)ORT (2011)
Deshalb sind im neuen Projekt „TAT(w)ORT” durch Kurzbeschreibung festgelegte Ausgangspunkte als „Tatorte” definiert, von denen die sprachlich- musikalische Bildentwicklung ausgeht. Gehör und Blick werden auf einen Schauplatz konzentriert und die Details der auftauchenden Bilder stärker herausgearbeitet. Den Einstieg bilden in diesem Fall vorbereitete Situationen, die eine Art improvisierter Spurensicherung auslösen. Die Konzentration der Künstler soll diesmal stärker auf die Entfaltung innerer Bilder gerichtet werden – ohne Fremdeinwirkung durch Begriffe aus dem Publikum.